Nidden - das Seebad

 

 

 

 

 


 

Hotel Königin Louise


In einem Reiseführer von 1914 über Königsberg und Umgebung steht über Nidden zu lesen:

"Das große Dorf und Seebad Nidden wird von Malern viel besucht. (Hotel Königin Louise, Hotel kurischer Elch, Hotel Herm. Blode, Hotel Nordische Linea; daneben Gasthäuser und Privatwohnungen.) Der umgebaute Hafen gestattet den Dampfern anzulegen; die Verbindung vom und zum Postdampfer mittels Postkahn ist damit beseitigt worden. In der Nähe von Nidden Standrevier der Elche. ...

Kurtaxe: Bis 10 Tage 3 Mk., Familie 6 Mk.; vom 11. Tage ab 6 Mk., Familie 12 Mk.
Preise der Seebäder: 25 Pfg., Kinder 10 Pfg., Dutzendkarten 2,40 resp. 1,20 Mk., Warmbad 1 Mk."

Von dort stammen auch die folgenden Ausführungen über die heilsame Wirkung von Ostseeaufenthalten:

"Die Seebäder(1) an der Ostsee werden meistens solchen Kranken und Erholungsbedürftigen empfohlen oder von solchen aufgesucht, welche rauhe Seeluft und starken Wellenschlag nicht vertragen.

Die Seeluft unterscheidet sich von der Luft des Binnenlandes durch ihre Freiheit von Staub und schädlichen Keimen, durch geringe Veränderlichkeit der Temperatur, durch größere Feuchtigkeit, stärkere Lichtfülle und durch ihre lebhafte Bewegung. Auf diesen Eigenschaften beruht der erfrischende, belebende und abhärtende Einfluss des Aufenthaltes an der See und der Heilkraft der Seeluft für zahlreiche Nervenleiden, der Skrofulose (2), Rhachitis, der Blutarmut und Bleichsucht, endlich für Reizzustände der Atmungsorgane. Dem angeblichen Salzgehalt der Seeluft ist dagegen nicht einmal mitten auf dem Ozean größere Bedeutung beizumessen; salzhaltig wird die Luft, da Salz nicht verdunstet, nur vorübergehend, wenn lebhafter Wind die Oberfläche des Wassers zerstäubt und salzhaltige Wasserteilchen weiterträgt; dies geschieht aber erst bei einer Windstärke, welche Leidenden zu einem längeren Verweilen am Strande kaum mehr zuträglich ist.

Die kalten Seebäder wirken in ähnlicher Richtung wie die Seeluft, weit energischer, aber zeitlich beschränkt. Der Badestrand ist an der Ostsee meist feinsandig und steinfrei, der Wellenschlag aber nicht so kräftig wie an der Nordsee. Starker Wellenschlag verstärkt zwar die Wirkung, beansprucht aber einen größeren Kraftvorrat. Kalte Seebäder können in der Regel von Anfang Juni bis Anfang Oktober genommen werden. Die größte Wasserwärme fällt durchschnittlich auf Ende Juni.

Zur Vermeidung der häufig vorkommenden schweren Schädigungen der Gesundheit durch ungeeigneten Gebrauch der kalten Seebäder wird dringend geraten, daß ein jeder, der zuvor nie kalt gebadet hat, vor den ersten Seebade sich ärztlich beraten lasse. Nervenkranke, Blutarme, Herzleidende, junge Frauen und ältere Personen werden vor dem Gebrauch der kalten Seebäder ohne vorherige ärztliche Untersuchung ernstlich gewarnt.

Wer die Sperrvorrichtungen in den Seebadeanstalten überschreitet, kann nicht darauf rechnen, im Falle der Gefahr gerettet zu werden.

Gelegenheit zu warmen Seebädern findet sich in fast allen Ostseebadeorten; in ihrer Wirkung gleichen sie einfachen Solbädern von demselben Salzgehalt.

Ein besonderer Heilfaktor erwächst den Ostseebädern im Gegensatz zu allen sonstigen Seebädern aus den Waldungen, welche sich in großer Ausdehnung an der Küste vorfinden. Sie wirken auf die Reinheit, Feuchtigkeit und Temperatur der Luft ähnlich wie das Meer, so daß auch bei Landwind günstige Verhältnisse obwalten; sie gestatten bei den oft lebhaft wehenden Winden auch Schwächeren ausgiebigen Kuraufenthalt im Freien und wirken wohltuend auf Auge und Gemüt. Für Erholungs- und Ruhebedürftige sind die Monate Mai und Juni mit dem meist sonnigen Wetter bei noch zurückhaltender Tageswärme ganz besonders zu empfehlen.

Die Hauptbesuchszeit der Ostseebäder fällt naturgemäß zusammen mit der Hauptreisezeit und in die Wochen der Sommerferien. Die Saison beginnt meist am 1. Juni und endet im September, doch ist jetzt auch in den meisten Bädern während der übrigen Monate (Winterkur) Unterkunft zu erhalten.

(1) In Original gesperrt
(2)
Haut-und Lymphknotenerkrankung bei Kindern nach Infektion mit Tuberkelbakterien

Aus: Woerl, Leo. Illustrierter Führer durch Königsberg und Umgebung. Nebst Ausflügen nach den Ostseebädern Samlands sowie Cranz, Kurische Nehrung und nach dem masurischen Seengebiet.. Leipzig: 1914, Woerl's Reisebücher-Verlag, Seite 67f.